März 2023

Gedanken zum Monatsspruch März 2023

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung,                                                                                     Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?

Röm. 8, 35
Der Apostel Paulus formuliert in diesem Satz zwei Fragen. Aber eine Antwort gibt er
nicht. Wer die Bibelstelle kennt, weiß, dass die Antwort im Kontext des Verses gegeben
wird. Aber die Fragen haben es in sich. Deswegen lohnt es sich, dass wir zunächst die
Spannung aushalten, bevor wir uns die Antwort sagen lassen.
Es sind Fragen, in denen sich ein existentielles Ringen ausspricht. Das Ringen um die
Gewissheit, ob Gott in notvollen und entbehrungsreichen Lebenssituationen noch
unverbrüchlich an unserer Seite steht. Sind wir noch in seiner Hand? Oder erweisen sich
die biblischen Zusagen der Treue Gottes nicht doch als warme fromme Worte. Das sind
sehr ernste Fragen. Nicht Wenige stellen sie sich.
Ich denke z. B. an Menschen in der Ukraine, die zwischen zerbombten Häusern am
eigenen Leib eine unselige Mischung von alldem erleben, was Paulus beschreibt: die
Kälte des Winters; Schikane durch marodierende russische Soldaten; die ständige
Gefahr, dass die Bombardierung wieder losgehen kann. Ich denke an Menschen, die
angesichts seelischer Bedrängnis nicht ein und aus wissen; an solche, die unter
bedrohlichen Krankheiten leiden; an Christen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten
müssen, wenn sie offen ihren Glauben bekennen. Sind diese Erfahrungen vielleicht doch
stärker als Gott?
In solchen Situationen genügt es nicht, einfach nur „Nein, sind sie nicht“ zu sagen. Es
braucht schon ein bisschen mehr, um Zuversicht zu gewinnen.
Lassen wir uns die Antwort die Paulus gibt, neu zusprechen: Gott ist für uns (V. 31). Er
ist so für uns, dass er alles für uns gibt. Nämlich einen Teil von sich. Seinen Sohn Jesus
Christus. Er geht für uns in die tiefste Not des Leidens, um dort ein göttliches Netz zu
spannen, das uns auffängt; um eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und uns
herzustellen, die stabiler ist als alle Anfechtungen und Zumutungen dieser Welt. Dieser
Weg Jesu ist Ausdruck einer Liebe, die sich voll und ganz hingibt. Er ist das Siegel, dass
Gott endgültig und unverbrüchlich zu uns steht. Von nun an hat er einen letzten
Anspruch auf unser Leben und sonst keine Macht der Welt. Nichts Geschaffenes ist
stärker als der Schöpfer, die tragende Kraft, die uns unserem Ziel entgegen führt. Auf
diesem Hintergrund erklingt am Ende des Kapitels eine ergreifende Gewissheit, von der
wir in diesem neuen Monat tragen lassen können: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod
noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch
Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden
kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“

Prof. Dr. Oliver Pilnei (Theologische Hochschule Elstal)

Gedanken zur Jahreslosung 2023

Du bist ein Gott, der mich sieht.
1. Mose. 16, 13

Der gekürzte Bibelvers der Jahreslosung 2023 bezieht sich auf eine dramatische
Geschichte. Es geht um das Ehepaar Abram und Sarai. Sarai ist unfruchtbar und bittet
daher ihren Mann, ein Kind mit der Magd Hagar zu zeugen. Doch die Schwangerschaft
sorgt für einen Konflikt zwischen den Frauen. Sie demütigen und verachten sich.
Für Hagar scheint die Lage ausweglos zu sein, sie flieht. Heimatlos und einsam läuft sie
zu einer Wasserquelle in der Wüste. Dort begegnet ihr ein Engel, der ihr rät, zu Abram
und Sarai zurückzukehren. Der Engel prophezeit, dass Hagar so viele Nachkommen
bekommen wird, dass „sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.“
Hagar betet an der Wasserquelle zu Gott und stellt fest: „Du bist ein Gott, der mich
sieht“. Diese Aussage ist ungewöhnlich, denn es geht hier um die Selbstwahrnehmung.
Hagar hat das Gefühl, so gesehen zu werden, wie sie ist, von Gott in ihrem Dasein
erkannt zu werden.
Die Jahreslosung 2023 zitiert erstmals ein Vers mit einem Text, der aus dem Mund einer
Frau kommt. Auch das ist neu an dieser Losung. Die Stellung der Frau in der
Gesellschaft ist also ein weiterer Punkt, der in diesem Zusammenhang von Bedeutung
ist. Hagar ist „die erste Frau der Bibel, die einer rettenden Gottesbegegnung gewürdigt
wird und die einzige Frau, die von Gott selbst ‚Väterverheißungen‘ erfährt“, erläutert der
Theologe Thomas Naumann. Die Dienerin Hagar stehe damit auf einer Ebene mit dem
großen Stammvater Abraham.
Der dritte Aspekt, der interessant ist an der Jahreslosung 2023, ist der Bezug zum
interreligiösen Dialog. Hagars Name bedeutet „die Fremde“. „Die Fremdheit ist ein
Grundbaustein in Israels Existenz“, erläutert der katholische Diplomtheologe Wolfgang
Baur. Die Ur-Eltern Israels kämen immer als Fremde ins Land – in das Land Kanaan oder
auch nach Ägypten.
Die Jahreslosung 2023 thematisiert schließlich ein Thema, mit dem wir täglich
konfrontiert sind: Flucht und Vertreibung. An der Geschichte von Hagar an der Quelle
werde „das Elend von Flucht und Vertreibung und die anschließende göttliche Errettung
in der Wüste einprägsam und in der Bibel einzigartig an einem Einzelschicksal gezeigt“,
schreibt der evangelische Theologe Thomas Naumann.
Die Wüstenerfahrungen von Hagar, die Gefühle von Leere, Erschöpfung, Entmutigung,
Enttäuschung sind zentrale Erfahrungen menschlichen Lebens. Hagar erfährt Zuspruch,
Anerkennung und Unterstützung. Das richtet sie auf und gibt ihr Kraft, nicht aus ihrem
bisherigen Leben auszubrechen, sondern darin weiterzuleben und dies als reich und
erfüllt wahrzunehmen.
(aus dem „Sonntagsblat“t in Auszügen)