Monatsspruch Mai 2023
Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.
Spr. 3, 27
Der Monatsspruch enthält eine Mahnung, die es in die biblische Sammlung der Sprüche, also der Lebensweisheiten Israels geschafft hat. Eine Ermahnung zur Gebefreudigkeit, die im folgenden Vers noch um die Aufforderung erweitert wird, diejenigen, die um Hilfe bitten, nicht auf den nächsten Tag zu vertrösten, wenn eine direkte Unterstützung möglich ist.
Natürlich hat dieser Bibelvers die harte antike Lebenswirklichkeit vor Augen. Wer seinen Lebensunterhalt nicht durch Arbeit verdienen konnte, der war auf mildtätige Hilfe angewiesen. Es gab weder eine Renten- noch eine Kranken- noch eine Arbeitslosenversicherung. Allenfalls die eigene Familie war zu Unterstützung verpflichtet, aber wenn auch die ausfiel, dann war das Betteln die einzige Möglichkeit zum Überleben.
Aus diesem Grund sind im Alten Testament die Witwen und Waisen sowie die Fremden, die keine Familien haben, die typischen Vertreter der Armut. Der Gott Israels aber erweist sich immer wieder als der Vater und Anwalt dieser Witwen und Waisen (z.B. Psalm 68,6) und als Beschützer der Fremden (z.B. Lev 19,33f). Er hat es seinem Volk zur Aufgabe gemacht, die Rechte der Ärmsten in der Gesellschaft zu schützen und sie mit dem zu versorgen, was sie zum Leben brauchen. Und daher waren Hartherzigkeit und die Weigerung zu helfen ein Widerspruch zu jeder echten Frömmigkeit.
Heute haben alle von Armut betroffenen Gruppen im Sozialstaat einen Rechtsanspruch auf elementare Versorgung durch die Gemeinschaft der Steuerzahler. Und manche leiten daraus ab, sie hätten durch ihre Sozialversicherungsbeiträge und Steuerzahlungen ihre Pflicht zur Hilfe bereits erfüllt. Der Monatsspruch aber fragt nicht danach, wieviel schon gegeben wurde, sondern danach, was die Hand noch vermag. Wieviel ist noch im Portemonnaie? Welche Kraft ist noch da? Wieviel Zeit ist noch frei? Welche Kompetenzen habe ich? Das ist entscheidend.
Wie damals kann auch heute die Gemeinschaft nicht alle Lebensrisiken abdecken. Alleinerziehende mit Kindern sind z.B. in Deutschland die am stärksten von Armut betroffene Gruppe und das wirkt sich auf die Zukunfts- und Gesundheitschancen dieser Kinder extrem negativ aus. Welche finanzielle Unterstützung können wir ermöglichen, welche Zeit ihnen widmen, um sie zu entlasten? Welche Konzepte wechselseitiger Unterstützung können wir entwickeln und welchen politischen Druck aufbauen, damit sie mehr Rechte und eine bessere Versorgung erhalten?
Oder wir nehmen die Not der Geflüchteten, die Überforderung junger Familien, die fehlende therapeutische Versorgung psychisch Erkrankter, die Opfer von sexualisierter Gewalt oder die alleingelassenen Alten. Die Not der Einzelnen kann auch in einer reichen Gesellschaft groß sein, und dann braucht es diejenigen, die sich mit dem, was sie haben, dem, was sie wissen, oder dem, was sie organisieren können, aktiv werden.
Niemand kann alle Nöte dieser Welt beheben. Aber wenn alle Bürgerinnen und Bürger an den Stellen, an denen ihnen ein konkreter Hilfebedarf persönlich im Leben begegnet, ihre Hände nicht verschließen, dann wird diese Welt eine bessere Welt sein. Wenn wir an der einen Stelle, an der wir besonders kompetent sind, an der einen Stelle, an der unsere Hand etwas vermag, uns einsetzen, dann handeln wir im Sinne des Gottes, der uns unser Geld, unsere Zeit, unsere Kraft, unser Einfühlungsvermögen und unser Wissen vor allem deshalb gegeben hat, damit wir damit Gutes für die Bedürftigen bewirken können.
(Prof. Dr. Ralf Dziewas, Theologische Hochschule Elstal)
März 2023
Gedanken zum Monatsspruch März 2023
Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?
Röm. 8, 35
Der Apostel Paulus formuliert in diesem Satz zwei Fragen. Aber eine Antwort gibt er
nicht. Wer die Bibelstelle kennt, weiß, dass die Antwort im Kontext des Verses gegeben
wird. Aber die Fragen haben es in sich. Deswegen lohnt es sich, dass wir zunächst die
Spannung aushalten, bevor wir uns die Antwort sagen lassen.
Es sind Fragen, in denen sich ein existentielles Ringen ausspricht. Das Ringen um die
Gewissheit, ob Gott in notvollen und entbehrungsreichen Lebenssituationen noch
unverbrüchlich an unserer Seite steht. Sind wir noch in seiner Hand? Oder erweisen sich
die biblischen Zusagen der Treue Gottes nicht doch als warme fromme Worte. Das sind
sehr ernste Fragen. Nicht Wenige stellen sie sich.
Ich denke z. B. an Menschen in der Ukraine, die zwischen zerbombten Häusern am
eigenen Leib eine unselige Mischung von alldem erleben, was Paulus beschreibt: die
Kälte des Winters; Schikane durch marodierende russische Soldaten; die ständige
Gefahr, dass die Bombardierung wieder losgehen kann. Ich denke an Menschen, die
angesichts seelischer Bedrängnis nicht ein und aus wissen; an solche, die unter
bedrohlichen Krankheiten leiden; an Christen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten
müssen, wenn sie offen ihren Glauben bekennen. Sind diese Erfahrungen vielleicht doch
stärker als Gott?
In solchen Situationen genügt es nicht, einfach nur „Nein, sind sie nicht“ zu sagen. Es
braucht schon ein bisschen mehr, um Zuversicht zu gewinnen.
Lassen wir uns die Antwort die Paulus gibt, neu zusprechen: Gott ist für uns (V. 31). Er
ist so für uns, dass er alles für uns gibt. Nämlich einen Teil von sich. Seinen Sohn Jesus
Christus. Er geht für uns in die tiefste Not des Leidens, um dort ein göttliches Netz zu
spannen, das uns auffängt; um eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und uns
herzustellen, die stabiler ist als alle Anfechtungen und Zumutungen dieser Welt. Dieser
Weg Jesu ist Ausdruck einer Liebe, die sich voll und ganz hingibt. Er ist das Siegel, dass
Gott endgültig und unverbrüchlich zu uns steht. Von nun an hat er einen letzten
Anspruch auf unser Leben und sonst keine Macht der Welt. Nichts Geschaffenes ist
stärker als der Schöpfer, die tragende Kraft, die uns unserem Ziel entgegen führt. Auf
diesem Hintergrund erklingt am Ende des Kapitels eine ergreifende Gewissheit, von der
wir in diesem neuen Monat tragen lassen können: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod
noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch
Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden
kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Prof. Dr. Oliver Pilnei (Theologische Hochschule Elstal)